Hanko ist die südlichste Stadt Finnlands und mit ca.10.000 Einwohnern ein traditionsreicher und bei den Finnen sehr beliebter Bade, Kur- und Hafenort. Leider haben wir es während unseres zweitägigen Aufenthalt nicht geschafft alle Sehenswürdigeiten abzuarbeiten. Gerne wären wir noch einen Tag geblieben, müssen aber das morgige Wetterfenster zur Weiterfahrt in Richtung Turku nutzen. Der Weg dorthin gleicht einem Labyrinth aus Inseln und Steinen. Das finnische Schärenmeer besteht aus 30.000 bis 50.000 Inseln wobei Eilande unter 1oom² bei der genannten Zahl nicht berücksichtigt sind. Für uns ist es schwer vorstellbar wie sich die früheren Seefahrer hier ohne GPS und Kartenplotter zurecht gefunden haben.
Was für Gegensätze! Gestern nass, kalt, absolut unfreundlich und heute….? Sonne pur, keine Wolke am Himmel und ein Tag ohne dicken Pullover. Heute soll es ins nahe gelegene Hanko gehen. Hierzu müssen wir die 12 Seemeilen tiefe Schärensackgasse wieder zurück, bevor wir uns westlich Richtung Hanko halten können. Wie wir so durch die friedlich wirkende Inselwelt dahingleiten und die Stille genießen, werden wir urplötzlich durch lautes Donnern in schneller Abfolge aus unseren Tagträumen zurück in die Realität geholt. Was war das??? Okay, in naher Entfernung ist ein Steinbruch, dort werden gerade sicherlich Sprengungen durchgeführt, so unsere Erklärung. Wir hatte es gerade ausgesprochen, da hörten wir erneut äußerst laute Schießgeräusche in schneller Abfolge. Das kann nicht vom Steinbruch kommen, hört sich eher nach dem Schnellfeuer mehrerer großkalibrigen Geschützen an. Kaum war der Gedanke ausgedacht, hörten wir auch schon laute Motorengeräusche und zwischen den Inseln in vielleicht einem Kilometer Entfernung jagten drei militärische Schnellboote umher und feuerten aus nach vorne geöffneten Luken mehrere Salven auf Ziele an Land. Es war wie in einer Szene aus einem dieser Action Filme in der Arnold, Silvester, Bruce und Kollegen unterwegs sind um die Welt zu retten. Und wir waren einmal wieder mitten drin, Wahnsinn!!! Leider hat die Brennweite der Canon nicht ausgereicht um das Geschehen in halbwegs vernünftige Bilder zu fassen. Auf der weiteren Fahrt begegnete uns nur noch „Igor“ ein Oldtimer Schlepper mit einer Riesen Ladung Holz im Schlepp, ansonsten keine besonderen Vorkommnisse!
Den ganzen lieben Tag hat es ohne Unterlass geregnet, erst gegen späten Abend wurde es etwas besser und der Himmel klarte ein wenig auf. Aber dies ist absolut verzeihbar, war es doch der erste wirklich richtige Regentag während unserer bisherigen Reise. Was macht man an so einen Tag? Neben lesen und Seekarten studieren haben wir einen kurzen Gang in die ausgestorben wirkende Stadt gemacht, den örtlichen Bäcker und eine Buchhandlung und Abends ein Restaurant in Hafennähe aufgesucht. Dort trafen wir auf „Robert“ . Vielmehr hat Robert uns getroffen bzw. hat er sich uns als Gesprächspartner ausgesucht. Robert hatte schon das ein oder andere Lapin Kulta (Fin. Biersorte) intus und schüttete uns sein Herz aus. „My Name is Robert. I’m a muurari (Fin Maurer). I built houses. Stone on Stone. Twenty – five years ago. Worldwide! I makes a lot of Money with it!“ Dann gab es ein neues Lapin Kulta, und es ging von vorne los. „My Name is Robert……………………..“ Die Geschichte haben wir so lange gehört bis 4 junge Soldaten das Lokal betraten und unser Robert diese erspähte. Im Nu waren wir für Robert nicht mehr existent. Robert hatte neue Opfer gefunden. Soviel zu unseren Besuch in Tammisaari.
Gestern Abend ist noch ein alter bekannter Ostseereisender in Dirhami eingelaufen. Unser dänischer Freund, den wir auf dem Weg von Ventspils nach Roomassaare aus den Augen verloren haben, kreuzt wieder einmal unseren Weg. Gemeinsam brechen wir in den frühen Morgenstunden auf. Es geht über den finnischen Meerbusen nach Finnland, er nach Hanko, wir wollen tief in die Schären bis nach Tammisaari eintauchen. Ob sich unser Weg wohl erneut kreuzen wird oder wir uns in der Inselwelt Finnlands endgültig aus den Augen verlieren werden…? Mal wieder verlässt uns nach zwei Stunden der nötige Wind und wir müssen notgedrungen den Diesel zur Unterstützung bemühen. Der arme Kerl musste in den letzten 5 Wochen wirklich Schwerstarbeit leisten, wir werden uns in den nächsten Tagen mit einem umfassenden Motor- Service bei Ihm dafür bedanken. Nach 35 Seemeilen haben wir die erste Fahrwassertonne für unseren Weg in die Schärenwelt erreicht. Ab jetzt geht es durch eine phantastische Landschaft aus bewaldeten großen und kleinen Schäreninseln. 3 Stunden später machen wir in Tammisaari fest und werden auch gleich von einem finnischen Ehepaar in Empfang genommen. Die Beiden leben normalerweise auf Ihrem 45 Fuß Schiff in der Karibik und sind jetzt hier zu Besuch bei Verwandten. Finnland wäre Ihnen zu kalt, und somit haben sie hier kurzerhand alles aufgegeben und sich ins Warme verlegt. Sollten wir auch mal drüber nachdenken, der Sommer hier lässt zumindest von seinen Temperaturen noch auf sich warten.
Es fühlt sich wieder an wie Winter! 4°C zeigt das Thermometer an diesem Morgen. Ich sitze draußen in der Pflicht und gebe die heutige Route nach Dirhami in den Plotter ein, dabei sind die Finger steif gefroren und die Ohren kurz vor dem abfallen. Wenigstens scheint die Sonne und der Himmel ist strahlend blau. Um 09:15 sind wir dann soweit und verlassen eingepackt wie die Eskimos Haapsalu. Die ersten zwei Stunden geht es unter Motor entlang dem Tonnenstrich. Der Wind kommt dabei, wie sollte es auch anders sein, mal wieder von vorne und die 4° C fühlen sich durch den Windchill- Effekt wie minus 10°C an. Nach 10 Seemeilen haben wir die Ansteuerungstonne und freien Seeraum sowie den finnischen Meerbusen erreicht. Wir setzen unseren Kurs nach Osten ab und nutzen bei halben Wind lediglich die Genua als Segelfläche. Punkt 13:00 laufen wir dann in den kleinen Hafen von Dirhami ein. Heute wird unser letzter Tag in Estland sein, bevor es morgen rüber nach Finnland geht und wir ins Schärenmeer eintauchen werden. Unser Fazit: Ein wundervolles Segelrevier mit sehr gut ausgestatteten Marinas und super netten Menschen.
Wie bereits erwähnt hält uns das Wetter bis mindestens Samstag in Haapsalu fest. Also stellte sich die Frage: Was machen wir weitere 2-3 Tage in Haapsalu? Schließlich hatten wir schon sämtliche Sehenswürdigkeiten auf unserer Liste abgeharkt und so entstand die Idee Tallinn auf dem Landweg und nicht mit dem Boot über die Ostsee anzusteuern. Vorteil: Wir verlieren durch die Schlechtwetterperiode keine weiteren Tage und können dann von Haapsalu über Dirhami die finnische Schärenküste direkt ansteuern. Schnell war ein Hotel in Altstadtnähe von Tallinn gebucht und wir saßen in einem Taxi, welches uns zum Busbahnhof chauffierte. Am Busbahnhof angekommen wurden wir von einem mitreisenden älteren estnischen Herren angesprochen. Die Konversation war sehr einseitig, der gute Mann sprach kein Englisch und wir kein Estnisch. Das störte dem mitteilungsbedürftigen Gesellen aber herzlich wenig und so haben wir uns zumindest bemüht seinen Erzählungen zu folgen und höflich zustimmend genickt. Höhepunkt unserer Unterhaltung war, dass wir gemeinsam mit dem Herren mehrmals in deutsch laut von eins bis zehn ( 1-6 konnte er bereits, die 7,8,9,und 10 wollte er lernen) gezählt haben. Andere Mitreisende, welche ebenfalls auf den Bus warteten haben uns drei wahrscheinlich für vollkommen Plem-Plem gehalten. Zumindest deuteten Ihre Blicke darauf hin. Mit dem Bus ging es dann ins etwa 100 km entfernte Tallinn und direkt in die sehenswerte Altstadt. Am späten Nachmittag sind wir dann lediglich bewaffnet mit Zahnbürste und Zahnpasta ins „Radison Blue“ eingezogen und haben als erstes die Cocktailbar belagert. Abends hat es uns noch einmal in die nahe gelegene Altstadt gezogen. Jetzt war es hier deutlich entspannter als einige Stunden zuvor, tausende von Kreuzfahrern hatten das Feld geräumt und saßen wahrscheinlich auf ihren Traumschiffen beim Abendbuffet. Allein bei dem Gedanken stellte sich auch bei uns ein Hungergefühl ein und so entschieden wir uns in die Mittelalterlichen Gemäuer des „Pfeffersack’s“ einzukehren um unsere Gelüste zu befriedigen. Während wir unser wahrlich opulentes Mahl verspeisten, wurden wir Augenzeugen einer dramatischen Auseinandersetzung. Zwei trunkene Landsleute kämpften zuerst mit Fäusten und später mit Hieb- und Stichwaffen um die Gunst einer hübschen Jungfrau. Nachdem die Sache geklärt und die beiden Rivalen sich befriedet hatten, kehrte wieder Ruhe ein und es floss noch reichlich von dem süffigen Gerstensaft. Nach erreichter Bettschwere machten wir uns auf den Heimweg ins Hotel. Dort angekommen verzogen wir uns gleich in unsere Gemächer und ließen den Tag ausklingen. Am anderen Morgen ging es nach einem ausgiebigen Frühstück mit unserem Luxusliner zurück nach Haapsalu. Im Hafen angekommen empfing uns am Steg ein stürmisch kalter NW-Wind. 7°C bei 7-8Bft und zwei fast durchgescheuerte Festmacher sorgten unverzüglich am ganzen Körper für Gänsehaut. Bleibt zu hoffen, dass zumindest der Wind bis morgen ein wenig abnimmt und wir unser nächstes Etappenziel ansteuern können.
…und oft kommt es (wie bei unserem Besuch) zu einem wilden Gemetzel um eine schöne Jungfrau
Unser Wetterprophet sagt für die nächsten Tage Windgeschwindigkeiten von über 4o Knoten voraus. Bei 8-9 Windstärken in den Finnischen Meerbusen einzufahren, wollen wir uns und nicht antun. Folglich legen wir in Haapsalu unsere erste Zwangspause ein und warten auf Wetterbesserung. Unser bisher ausgesprochen gutes Wetterglück hat uns kurzzeitig verlassen und wir haben heute den ersten wirklichen Regentag zu verzeichnen. Nichtsdestotrotz haben wir die Bordfahrräder ausgepackt und uns auf Exkursionsfahrt ins ca. 1,5 km entfernte Centrum von Haapsalu aufgemacht. Auch hier gab es einiges zu sehen und erkunden. Die Railway-Station aus dem Jahr 1903 mit dem seinerzeit längsten (214m) überdachten Bahnsteig Europas, das alte Kurhaus, Museen, die Promenade und sicherlich als imposantestes Bauwerk, die im 13ten Jahrhundert gebaute Bischofsburg. Zurück an Bord haben wir dann vorsorglich den Liegeplatz gewechselt und die „Ratzfatz“ an einem vor Wind und Schwell geschützteren Platz verholt.
Für heute hatten wir uns Haapsalu als Ziel vorgenommen. Bis dahin haben wir eine maximale Fahrzeit von 6 Stunden kalkuliert, was für entsprechende Entspannung am Morgen sorgte und wir uns Zeit lassen konnten. Das was gestern Nachmittag zu viel an Wind war, war heute zu wenig! Null – Nada – Niente, es gab aber auch gar nichts an Wind was man hätte in Fahrt umsetzten können. Also war wieder einmal Motoren angesagt. So langsam geht uns die Motorerei tierisch auf den Senkel. Wenn das so weiter geht, haben wir am Ende 75% des Törns unter Maschine bestritten. Der Rest ist schnell erzählt, unterwegs hatten wir bis auf eine Fähre kein weiteres Wasserfahrzeug sichten können, überhaupt haben wir in den letzten Tagen das Gefühl immer alleine auf dem Wasser unterwegs zu sein. Im Zickzack Kurs haben wir uns von Tonne zu Tönnchen und von Insel zu Inselchen gehangelt. Dabei immer schön den Plotter und das Lot im Auge behalten. Die See ist hier oben nicht tief, die meiste Zeit hatten wir keine 5 Meter Wasser unterm Kiel. Von daher ist abkürzen nicht unbedingt empfehlenswert. Dicht unter der Wasseroberfläche lauern tausenden von Rockys nur darauf Bekanntschaft mit unseren Kiel machen zu dürfen.
Um 08:00 ging es in Kuressaare los, eine halbe Stunde später der erste Schreck. Mitten im schmalen aber gut betonnten Fahrwasser sind wir auf Grund gelaufen und die Ratzfatz saß fest! Das Lot zeigte 1,4m Wassertiefe an, was für einen Tiefgang von 1,8m natürlich nicht ausreichend ist. Seltsam nur, dass wir genau diese Stelle bei unserer Einfahrt in den Hafen bereits schon einmal ohne Probleme passiert hatten. Gottseidank war es kein Stein oder harter Kontakt, die Ratzfatz wurde ganz sanft von 5,5 Knoten auf 0,o Knoten abgebremst. Mit ordentlich Rückwärtsschub sind wir nach einigem hin und her wieder frei gekommen und konnten unsere Fahrt fortsetzen. An Segel setzten war mangels Wind in den ersten zwei Stunden nicht zu denken Erst gegen Mittag frischte es ein wenig auf und wir konnten bei halben Wind wunderbar segeln. Im Verlauf des Nachmittages drehte der Wind dann immer mehr auf Nord und nahm an Stärke zu. 10 Seemeilen vor Kuivastu hatte Aiolos (Windgott) die 6 Bft erreicht und wie sollte es anders sein, kam er mal wieder genau von vorn. Zudem entwickelte sich in der Meerenge zwischen der Insel Muhu und dem Festland eine sehr kabbelige See. Scheußlich kurze uns steile Wellen ließen das Boot mächtig stampfen und wir kamen nur sehr, sehr langsam dem Zielhafen näher. Entschädigung für die anstrengenden letzten Stunden fanden wir dann in dem Hafen von Kuivastu. Die Anlage wurde 2012 neu errichtet und befindet sich in einem absoluten Bestzustand. Auch wenn hier neben dem Fährschiffverkehr gleich nebenan nicht viel los ist, können wir die gut geschütze Marina nur weiter empfehlen.
Wir sind nun vier Wochen unterwegs, haben drei Länder hinter uns gelassen und sind im vierten unterwegs. In unserem Kielwasser liegen bisher 662 Seemeilen. Seit Stralsund haben wir keinen Regen und überwiegend Sonnenschein (wenn auch mitunter kühl) und keine Sturm- oder Starkwindtage gehabt. Das Gefühl für Tag und Zeit schwindet zunehmend, was will man mehr?
Mücken, Elche, Bären, Wölfe und sonstiges Getier soll es hier geben. Erstere haben wir bereits zu tausenden kennen gelernt, Bären und Wölfe müssen wir nicht begegnen. Ein Elch hingegen wäre nicht schlecht! Doch bevor wir uns auf die Pirsch nach Elchen begeben, erkunden wir den Ort. Wahrzeichen von Kuressaare dem früheren Arensburg ist die direkt am Wasser gelegene mittelalterliche Bischofsburg. Die Burg wurde erstmals 1398 unter dem Namen Schloss Arnsborch urkundlich erwähnt. In Kuressaare fand an diesem Wochenende das Orchideenfest statt. In der Stadt herrschte fröhliche Volksfeststimmung, Musik, Party, Trödel- und Verkaufsstände prägten das Bild. Kuressaarre hat uns außerordentlich gut gefallen, die Menschen sind hier deutlich entspannter und gelassener, Hektik … Fehlanzeige! Hier muss man sich einfach wohlfühlen.