Um 08:00 ging es in Kuressaare los, eine halbe Stunde später der erste Schreck. Mitten im schmalen aber gut betonnten Fahrwasser sind wir auf Grund gelaufen und die Ratzfatz saß fest! Das Lot zeigte 1,4m Wassertiefe an, was für einen Tiefgang von 1,8m natürlich nicht ausreichend ist. Seltsam nur, dass wir genau diese Stelle bei unserer Einfahrt in den Hafen bereits schon einmal ohne Probleme passiert hatten. Gottseidank war es kein Stein oder harter Kontakt, die Ratzfatz wurde ganz sanft von 5,5 Knoten auf 0,o Knoten abgebremst. Mit ordentlich Rückwärtsschub sind wir nach einigem hin und her wieder frei gekommen und konnten unsere Fahrt fortsetzen. An Segel setzten war mangels Wind in den ersten zwei Stunden nicht zu denken Erst gegen Mittag frischte es ein wenig auf und wir konnten bei halben Wind wunderbar segeln. Im Verlauf des Nachmittages drehte der Wind dann immer mehr auf Nord und nahm an Stärke zu. 10 Seemeilen vor Kuivastu hatte Aiolos (Windgott) die 6 Bft erreicht und wie sollte es anders sein, kam er mal wieder genau von vorn. Zudem entwickelte sich in der Meerenge zwischen der Insel Muhu und dem Festland eine sehr kabbelige See. Scheußlich kurze uns steile Wellen ließen das Boot mächtig stampfen und wir kamen nur sehr, sehr langsam dem Zielhafen näher. Entschädigung für die anstrengenden letzten Stunden fanden wir dann in dem Hafen von Kuivastu. Die Anlage wurde 2012 neu errichtet und befindet sich in einem absoluten Bestzustand. Auch wenn hier neben dem Fährschiffverkehr gleich nebenan nicht viel los ist, können wir die gut geschütze Marina nur weiter empfehlen.
Wir sind nun vier Wochen unterwegs, haben drei Länder hinter uns gelassen und sind im vierten unterwegs. In unserem Kielwasser liegen bisher 662 Seemeilen. Seit Stralsund haben wir keinen Regen und überwiegend Sonnenschein (wenn auch mitunter kühl) und keine Sturm- oder Starkwindtage gehabt. Das Gefühl für Tag und Zeit schwindet zunehmend, was will man mehr?
Mücken, Elche, Bären, Wölfe und sonstiges Getier soll es hier geben. Erstere haben wir bereits zu tausenden kennen gelernt, Bären und Wölfe müssen wir nicht begegnen. Ein Elch hingegen wäre nicht schlecht! Doch bevor wir uns auf die Pirsch nach Elchen begeben, erkunden wir den Ort. Wahrzeichen von Kuressaare dem früheren Arensburg ist die direkt am Wasser gelegene mittelalterliche Bischofsburg. Die Burg wurde erstmals 1398 unter dem Namen Schloss Arnsborch urkundlich erwähnt. In Kuressaare fand an diesem Wochenende das Orchideenfest statt. In der Stadt herrschte fröhliche Volksfeststimmung, Musik, Party, Trödel- und Verkaufsstände prägten das Bild. Kuressaarre hat uns außerordentlich gut gefallen, die Menschen sind hier deutlich entspannter und gelassener, Hektik … Fehlanzeige! Hier muss man sich einfach wohlfühlen.
Ventspils – Roomassaare – Kuressaare ca. 67 Seemeilen
04:00 der Wecker schlägt Alarm und will uns aus den Federn treiben. Nööö… noch ein Stündchen…,ist gerade so schön kuschelig, so unsere gemeinsame Reaktion auf den Weckruf. Also noch einmal umdrehen und die Ruhe genießen. Punkt fünf war es dann aber soweit, Schnellwäsche, Frühstücken, Anziehen, Ablegen. Mit uns zusammen ist eine Dänische Segelyacht aufgebrochen und uns die die ersten 2o Seemeilen auf unseren Weg nach Estland begleitet. Während wir später die Irbenstrasse zwischen Lettland und Estland querten, zog der Däne weiter unter Land in Richtung Kolka und unsere Wege trennten sich. Die Ostsee war an diesen Morgen spiegelglatt und kein Windhauch zu spüren. Somit war einmal mehr der Diesel gefordert uns anzutreiben. Erst kurz vor unserem Ziel briste es ein wenig auf, sodass wir in Summe neun Motor- und eine Stunde unter Segel ins Logbuch schreiben konnten. Apropos Ziel, durch einen Navigationsfehler, der mir allerdings viel zu spät aufgefallen ist, sind wir anfänglich in Roomassaare eingelaufen. Wir wunderten uns bereits bei der Einfahrt ins betonnte Fahrwasser, da passt doch etwas nicht???? Ich hatte am Abend zuvor noch schnell den Kurs und die Ansteuerung in den Kartenplotter eingegeben und mich später blind auf meine Eingabe verlassen und der Autopilot ist dem ebenso blind bis zur Ansteuerungstonne gefolgt. Nur handelte es sich dabei nicht um die Ansteuerungstonne von Kuressaare. Wie auch immer nun waren wir in Roomassaare gelandet und hatten auch keine Lust mehr meinen Fauxpas auszubügeln und erneut 3 Seemeilen zurück zu legen. Außerdem war der Hafen nicht schlecht und so beschlossen wir uns erst am nächsten Tag nach Kuressaare zu verlegen.
Samstag 27.05.17. Wir verholen uns in unseren eigentlichen Zielhafen. Auf dem Weg dorthin, begegnen uns im engen Fahrwasser die „Polar“ und „Mrs Jones“. Seit der Überfahrt von Polen nach Littauen queren sich unsere Wege regelmäßig. In Kuressaare angekommen steht Oskar der Hafenmeister bereits auf dem Steg und erwartet uns mit einem breiten Grinsen und den Worten „You have a long and hard trip? “ „Yes, it was a very hard trip!“ war mein Kommentar dazu. Ha-ha-ha, Oskar wie auch wahrscheinlich die Cew der „Polar“ und „Mrs. Jones“ haben dank unserem AIS – Signal bereits schon gestern anhand der Schiffsposition unseren Fehler bemerkt und sich gewundert warum die Ratzfatz die Ansteuerung nach Roomassaare wählt. Was soll’s, C . Columbus hat seinerzeit Indien auch nur knapp verfehlt.
Entgegen unserer Planung haben wir heute einen Hafentag eingelegt. Schließlich musste noch das ein oder andere am Boot erledigt und eingekauft werden. Außerdem wollten wir nicht ohne bleibende Eindrücke und Erinnerungen Ventspils / Lettland verlassen, bevor es weiter nach Estland geht. Also wurde der Rucksack aufgeschnallt und los ging es vom Hafen aus an den Strand und durch die Dünen. Anschließend haben wir uns die nähere Umgebung angesehen und unsere Einkäufe erledigt. Dabei war auffällig, dass Arm und Reich, Verfall und Moderne oft ganz dicht beieinander liegen.
Ich habe geschlafen wie ein Murmeltier und somit sind wir auch erst um 10:00 hier weg gekommen. Zur Verabschiedung kam noch der Hafenmeister (deutschsprechend) auf einen Plausch vorbei und wir haben uns mit den Worten „wir kommen auf jeden Fall irgendwann mal wieder“ verabschiedet. Mit uns hat die SY- Polar ebenfalls mit Ziel Ventspiels den urigen Hafen von Pavilosta verlassen. Kurz nach der Ausfahrt haben wir die Segel gesetzt, mussten aber um halbwegs voran zu kommen, den Motor die ersten Stunden mit niedriger Drehzahl mitlaufen lassen. Nach 4,5 Stunden passierten wir südlich von Ventspils das von der Lettischen Marine gesperrte Seegebiet, welches wir weiträumig umfahren haben. Über Funk lauschten wir schon eine ganze Weile dem Geschehen, konnten jedoch das Sprachwirrwar nicht so richtig deuten. Ich hatte immer irgend etwas mit US-Navy verstanden und machte mir noch einen Spaß daraus. War aber kein Spaß, vor Anker lag der Versorger „Button“ und zwischen Land und der „Button“ pendelten Landungsboote hin und her. Donald’s Truppen üben anscheinend den Landfall vor Ventspils. Wie auch immer, um 16:15 hatten wir es geschafft. Der freundliche Hafenmeister wartete bereits auf dem Steg um unsere Vorleinen entgegen zu nehmen. Nachdem an Bord alles soweit klariert, wir frisch geduscht (neue Sanitäranlagen in einem Top Zustand) und gestriegelt waren, ging es via Taxi in die Stadt. Von einem lieben Kollegen (Danke für den Tipp, Tobi) wurde uns eine Lokalität („Cafe Skroderkrogs“ in der Skroderu iela 6) empfohlen, welche wir unbedingt mitnehmen wollten. Fazit: Absolute Spitzenküche zu einem für unsere Verhältnisse unschlagbaren Preis!!! Mit Getränken, Vorspeise, Hauptgericht, Nachspeise und 2 Taxifahrten inkl. Sightseeing hat uns der ganze Spaß zusammen keine 35 Euro gekostet. Schöner hätte der Abend nicht ausklingen können.
04:00 Lautstarkes Diskussionsgebrabbel stört meinen Schönheitsschlaf. Ulli pennt wie ein Stein und bekommt nichts mit. Ich stecke meinen Kopf aus dem Niedergang um zu gucken was da los ist. Keine 3 Meter hinter dem Boot sitzen zwei ältere Herren in Tarnanzügen und stellen den Fischen nach. Dabei wird anscheinend lautstark über die wohl beste Köderauswahl und Fangtechnik gefachsimpelt. Meine Fresse…., ich bin hundemüde und will pennen!! Da ich die Diskussion ja nicht so einfach abstellen kann, dichte ich meine Gehörgange mit reichlich Ohropax ab, was vorerst einmal für eine akzeptable Hintergrundbeschallung sorgt. Leider hält der Frieden nur eine Stunde an. Punkt 05:00 erwachen auch die örtlichen Verkehrsbetriebe wieder und geben mir den Rest. Ulli aufstehen, wir müssen hier weg.!!Keine Stunde später sind wir ablegefertig und verlassen Liepaja mit Ziel Pavilosta. Fünf Stunden später laufen wir bereits in Pavilosta ein. Schön hier, eine Ruheoase wie aus dem Bilderbuch und noch sind wir die einzigen Gastlieger an dem Steg.
Letze Nacht haben wir beide schlecht geschlafen, ob es an der Zeitumstellung und der schon deutlich längeren Tageshelligkeit (irgendwann um 23:00 dämmerte es dann) liegt, wer weiß das schon. Wie auch immer, jedenfalls sind wir gegen 09:00 los und um 18:30 in Liepaja angekommen. Während der Überfahrt hierher ist nicht viel Spannendes passiert. Gemütliches Segeln bei 2-4 Bft. aus nordwestlicher Richtung. In Liepaja liegen wir zentrumsnah an einer Betonpier. Auch wenn die beiden Hafenmeister sehr nett und zuvorkommend waren, überzeugt uns der Liegeplatz und das Umfeld wenig. Auch ein sehr kurzer spät abendlicher Stadtrundgang kann unseren ersten Eindruck nichts entgegensetzten. Irgendwie springt in Liepaja der Funke zu uns nicht herüber. Hinzu kommt der von der nahe liegenden (50 Meter) Brücke und Hauptverkehrsstraße verursachte Verkehrslärm. Im Minutentakt fahren hier die Straßenbahnen bis spät in die Nacht. Dem Anschein nach handelt es sich dabei noch um Relikte aus sozialistischen Zeiten. Entsprechend groß war dann auch der Geräuschpegel dieser Oldtimer. Auch auf die Gefahr hin, Liepaja unrecht zu tun, beschließen wir kurzer Hand morgen früh weiterzufahren.
Was sollen wir sagen, Klaipeda hat uns mehr als positiv überrascht. An diesem Wochenende herrschte zudem ausgelassene Volksfeststimmung. An jeder Ecke der Stadt gab es ein Unterhaltungsprogramm. Über Kunst, Kultur, Märkte und Party Atmosphäre war alles dabei. Sportlicher Höhepunkt war dann am Sonntag der Vilties Begimas Marathon. Neben den hunderten von Sportlern waren ebenso viele Menschen auf den Beinen um dem großen Event beizuwohnen. Besucht haben wir auch eine der wohl größten Shoppingmall in Litauen, das Akropolis Center. Alter Schwede…, vor lauter Staunen bekamen wir den Mund gar nicht mehr richtig zu. Alles, aber auch alles gab es hier inkl. einer großen Eissportarena inmitten der Einkaufsmeile. Unser Vorhaben, einen Abstecher zur Kurischen Nehrung nach Nida, mit Besuch des Geisterwaldes, der Düne und dem Thomas Mann- Haus, haben wir aus Zeitgründen nicht umsetzen können. Hierzu hätten wir noch ein oder zwei Tage verlängern müssen. Wir wollen jedoch das morgige Wetterfenster für den Absprung nach Lettland (Liepaja) nutzen und weiter Nordwärts ziehen. Wie auch immer, wir werden sicherlich noch einmal hierher kommen!
…A cappella gefällig?
…oder doch lieber ACDC? Der Knirps hat den Laden gerockt!!!
Wie angekündigt geht es heute nach Klaipeda (Litauen). Wir planen mit einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 5 Knoten was einer Fahrzeit von 22 Stunden entspricht. Da wir nach Möglichkeit mit Tageslicht in den Hafen von Klaipeda einlaufen wollen, legen wir den Abfahrtszeitpunkt in Hel auf 09:00. Unseren ursprünglichen Plan, dass von St. Petersburg angekündigte militärische Übungsgenbiet, welches außerhalb der 12 Seemeilenzone (Hoheitsgebiet) aber dennoch innerhalb der russischen Wirtschaftszone liegt, weiträumig zu umfahren, verwerfen wir schon eine halbe Stunde nach der Abfahrt. Mal wieder ändern wir spontan unseren Plan und gehen das Risiko ein, von den Russen abgefangen und zurück geschickt zu werden. Dafür sparen wir uns 30 – 40 unnötige Seemeilen, soll wohl gut gehen?! Mit halben Wind und 7 Knoten Fahrt geht es also Richtung der Kaliningrad vorgelagerten 12 Meilen Zone. Nach einer Stunde werden wir von der Segelyacht Polar angefunkt und nach unserem Reiseziel gefragt. 6 Seemeilen hinter uns fährt ab jetzt eine Flotille von 4 deutschen Booten (Polar, Mrs.Jones, Antares und die Arion) mit eben demselben Ziel Klaipeda. Als wir das von den Russen für ihre militärische Übungen deklarierte Seegebiet erreichen, ist bereits ein mächtiges dumpfes Wummern auf der Ostsee zu hören. In der Ferne ist ein größerer Schiffsverband zu sehen aber noch nicht eindeutig zu indentifizieren. Jetzt wird mir doch ein wenig mulmig und ich stelle meine Entscheidung, das Gebiet zu queren innerlich mehr als in Frage. Weitere 5 Seemeilen erste Entwarnung, bei dem gesichteten Schiffsverband handelt es sich um eine russische Fischereiflotte und nicht um die Marine. Puh, Erleichterung macht sich breit und wir informieren die uns folgende deutsche Flottille via Funk. Bis wir Kap Taran auf Steuerbord querab haben, fahren wir in einem respektablen Abstand entlang der russischen 12 Seemeilenzone, und werden dann erneut von einem noch heftigeren dumpfen Geschosswummern überrascht. Die Ostsee scheint zu beben und dieses nicht zu beschreibende im ganzen Schiff zu spürende tiefe Vibrieren ging uns durch Mark und Bein. Ich muss zugeben, mir war dabei nicht wirklich wohl. Die werden uns schon nicht abschießen, und wenn, würden wir den Knall wahrscheinlich nicht einmal mehr hören. Also Augen zu und durch. Nach 2 Stunden voller Anspannung hatten wir es geschafft, und das flaue Gefühl in der Magengegend löste sich nach und nach auf. Doch all zu lang sollte die entspannte Stimmung an Bord nicht anhalten, durch einen zufälligen Rundumblick konnten wir noch soeben einem im Wasser treibenden Objekt ausweichen. Das Dingen hätte bei Vollkontakt mächtig Spuren hinterlassen und je nach Auftreffwinkel und Speed für ein weiteres Schiffswrack in der Ostsee gesorgt. Der Rest ist schnell erzählt, es folgte ein herrlicher Sonnenuntergang und eine kurze Nacht. Bereits um 02:30 haben wir unsere Ankunft bei Klaipeda Port und Border Control angemeldet. Eine Stunde später lagen wir fest vor der Brücke zum Kastellhafen. Hier haben wir die Zeit bis zur ersten Brückenöffnung für ein kurzes Nickerchen genutzt, bevor wir dann in den Kastellhafen einfahren und fest machen konnten.
Heute einmal in Kurzform die Highlights des Tages.
09:00 – ablegen in Gdynia – stop – 11:00 fest in Hel – stop 11:30 Besuch von Border-Control mit den üblichen Fragen nach, woher, wieviel Personen usw.- stop- 12:00 Bosman (Hafenmeister) kommt zum kassieren – stop – 13:00 es ist heiß in der Sonne, das Sonnensegel kommt zum ersten mal in diesem Jahr zu seinem Einsatz – stop – 13:00 Ein Boot vom Zoll macht neben uns fest. Zwei uniformierte Herren steigen über und kommen an Bord. Waffen, Drogen, Zigaretten, Alkohol? (Nein haben wir nicht) Dann folgte eine Besichtigung des Bootsinneren und Kontrolle der Schaps. Anschließend wurden noch einmal die Dokumente vom Schiff, Certifikate, Policen, Funklizensen und Personalien abgefragt und aufgenommen. Alles in allem waren die Herren sehr nett und freundlich, von daher war der Besuch vollkommen ok.- stop- 14:00 – 15:30 Nachmittagsschläfchen gehalten – stop – 16:00 – 17:30 Sightseeingtour durch Hel – stop – Nacher geht’s noch zum Essen – stop – Morgen geht es auf nach Litauen – stop.