Kein Lüftchen regt sich als wir Mariestad um o9:oo verlassen. Es soll nach Spiken, einem kleinen 100 Seelen großen Fischerdorf auf einer der ca. 22.000 Inseln (Kallandsö) im Vänern gehen. Dabei gleicht der drittgrößte See Europas zwischendurch eher einem Meer, bei dem Horizont und Wasser ineinander verschmelzen. Mit uns hatten anscheinend einige Hundert andere Touri’s Spiken als ihr heutiges Reiseziel auserkoren. Jedenfalls war es voll, um nicht zu sagen rappelvoll! Wohnmobile, Wohnwagen, Autos, Motorräder, und jede Menge Wasserfahrzeuge belagerten den kleinen Ort bzw. Hafen.
Mariestad fällt schon von weitem durch seinen alles überragenden Domturm auf. Mit einer der letzten gotischen Kirchen Schwedens wurde bereits 10 Jahre nach der Stadtgründung im Jahr 1593 begonnen. Weitere Sehenswürdigkeit ist die Gamla Stan (Altstadt), welche zu den best bewahrtesten Stadtkernen des Landes gehört. Deren älteste Gebäude stammen noch aus dem 16th Jahrhundert. Neben Sightseeing haben wir den Tag genutzt, um mal wieder klar Schiff und nötige Besorgungen zu machen. Außerdem musste an der Ratzfatz das ein oder andere ausgetauscht bzw. repariert werden. Die Beanspruchung vom Material ist auf einer längeren Reise doch deutlich größer als in vier Wochen Sommerurlaub. Mal war es die Wasserpumpe, dann ein Vakuumventil, ein Beschlag oder ein Fall, welches ausgetauscht werden musste. So gibt es halt immer etwas zu tun, bisher waren es aber überwiegend kleinere Dinge, welche sich ohne weiteres und großen Kostenaufwand reparieren ließen. Deutlich schlechter hat es da unser Nachbarlieger, welcher gestern mit Motorschaden in den Hafen geschleppt wurde.
Motala – Tatorp – Lyrestad – Sjötorp – Mariestad ca. 99 Kanalkilometer und 10 Seemeilen auf dem Vänern
Dienstag der 18.07 war mal ein richtig guter Tag! Wir haben den Vättern, den Viken und die letzte Schleuse Bergauf hinter uns gelassen! Unser BERGFEST feierten wir nach 10 Stunden Fahrt in Tatorp direkt vor der ersten Talschleuse auf 91,8 Höhenmeter. Am anderen Morgen ging es zügig weiter und wir ließen die ersten 10 Kanalkilometer flott hinter uns. Unser guter Lauf wurde aber gegen Mittag durch eine Wartezeit von 4 Stunden vor der oberen Schleuse von Hajstorp jäh unterbrochen. Eine weitere Stunde Wartezeit hatten wir dann noch vor einer Eisenbahnbrücke. Somit landeten wir nach 9 Stunden und ernüchternden 25 Kanalkilometern gegen 18:00 in Lyrestad. Die elendig langen Wartezeiten sind einfach nur anstrengend und nerven früher oder später! Egal, heute haben wir dann die letzten 10 Schleusen geschafft und sind ohne Halt in Sjötorp einzulegen, gleich raus auf den großen Vänern. Als erstes wurde der Jockel (Diesel) gestoppt und Segel gesetzt. Das war echter Balsam für Mensch und Maschine. 2 Stunden später waren wir fest in Mariestad.
Wir sind gestern in Motala angekommen. Bis hierher war es ein ganz schöner Krampf. Tagesetappen von 1o maximal 15 Kilometer war alles, was der Kanal zuließ. Die letzten Tage waren geprägt von sehr vielen Wartezeiten. Mal war es eine Brücke, dann eine Schleuse, ein Ausflugsdampfer, oder der Wasserstand in einem Kanalabschnitt, was eine Weiterfahrt verhinderte. Dazu kommen die vielen unverbesserlichen Möchtegernskipper, welche in den Schleusen aufgrund von falschem Leinenhandling und Rumgeschrei für unnötige Aufregung sorgen. Wir fragen uns immer wieder, wie die eine oder andere Crew (Gurkentruppe durfte ich nicht schreiben) es überhaupt mit Ihren +40 Fuss Yachten bis hierher geschafft haben. Weiterhin lässt sich feststellen, je mehr Leute an Bord, umso größer die Schwierigkeiten und desto bescheidener die Manöver. Viele Köche verderben halt den Brei! Nun genug gemeckert und gelästert. Meine Chefin hatte ja zwischenzeitlich Geburtstag und wir haben den Tag für einen Ausflug und Stadtbummel nach Linköping genutzt. Zum Mittagessen ging es dann ins „Överste Mörner“ ein Pup & Grill, in dem bereits Rockgrößen wie Sting, Joe Cocker, Madonna, Mick Jagger, Prince, Elton John, und viele andere beköstigt wurden. Anschließend galt es noch ein passendes Geburtstagsgeschenk für Ulli zu finden. Was lag da näher, als einen Bootsshop aufzusuchen und sie mit einem wunderbaren Fenderstep ( Fender + Aufstiegshilfe für kurze Beine) zu beschenken. Ihre Freude hierüber war groß und ist nicht mit Worten zu beschreiben 🙁 … Wir werden noch ein zwei Tage in Motala verbringen, dann geht es weiter über den Vättern nach Karlsborg. Anschließend kommt noch eine Schleuse und wir feiern auf 91,5 Höhenmeter und nach 37 Schleusen unser Göta-Bergfest, bevor es Talwärts weiter in Richtung Göteborg geht. Unsere Zwischenbilianz nach 7 Tagen Göta-Kanal fällt, selbst auf die Gefahr hin harsche Kritik von Kanalfans zu ernten, eher ein wenig nüchtern aus. Wahrscheinlich liegt es aber an uns und wir eignen uns nicht für die Binnenskipperei und zum Bootfahren auf einem Kanal! Landschaftlich ist das alles sehr schön und eindrucksvoll. Auch das Schleusen ist eine Erfahrung, welche wir nicht missen möchten! Uns fehlt es jedoch an Raum und Weite. Nach den ersten 25 Kanalkilometern und 20 Schleusen möchte man ausbrechen, Segel setzten und selbstbestimmend Meilen machen.
Nach einer Schleuse und zwei Brücken in Norsholm lag der Roxensee mit seiner Länge von ca. 27 km vor uns. Zweieinhalb Stunden später hatten wir den See in seiner Länge durchfahren und standen vor der spektakulären Schleusentreppe von Berg. Hier geht es über sieben aufeinander folgenden Kammern knappe 19 Meter aufwärts. Das Glück war uns hold, und wir konnten ohne längere Wartezeit gleich in die erste Kammer einfahren. Dann ging es Schlag auf Schlag, Kammer für Kammer in die Höhe. Eineinhalb Stunden später hatten wir es geschafft und waren in Berg övre angekommen. Der Schleusenwart hatte es heute ziemlich eilig und flutete die Kammern schnell. Ich hatte manches mal echte Mühe die Ratzfatz bei den Turbulenzen halbwegs stabil an der Schleusenwand zu halten, das war Segelboot im Wildwasserkanal fahren. Diesmal war es echter Stress und ich nach der siebten Schleusenkammer vollkommen geschafft. Noch zwei, drei Schleusen in einem Zug und ich hätte die Hände gehoben und gestreikt.
Was war das gestern für ein Tag! 12 Schleusen, 6 Dreh-, Klapp-, Schiebebrücken, 8 Fahrstunden, davon 2 Stunden auf Brücken / Schleusenöffnung gewartet, 1 Gopro Kamera versenkt, 6 ramponierte Fenderüberzüge und eine gestresste Ulli. So kann es weiter gehen! Nein, so schlimm war unser erster richtiger Kanaltag nun auch wieder nicht. Wir müssen uns nur noch auf die Langsamkeit des Reisens und die Wartezeiten einstellen. 22 km in 8 Stunden ist nun nicht wirklich viel. Dabei knallte der Lorenz mit voller Kraft und es wehte kein Lüftchen. Heute bleiben wir in Norsholm und legen einen Wasch- Putztag ein, große Wäsche und Generalreinigung der Ratzfatz stehen auf dem Programm.
Stegeborg – Söderköping (Göta-Kanal) ca. 9 Seemeilen
So jetzt sind wir drin, im blauen Band von Schweden und haben bereits unsere ersten beiden Schleusen erfolgreich hinter uns gelassen. Somit sind es nur noch 56 Schleusen im Göta- und 6 Schleusen im Trollhättenkanal. Ulli ist ein wenig nervös vor dem Schleusen gewesen, dabei ist es, wenn man sich an die Anweisungen des netten Schleusenpersonals hält, echt easy! Bei Bergfahrt die Achterleine senkrecht nach unten belegen, Vorleine ca. 1/2 Schiffslänge vor dem Schiff belegen und mit der Winsch nach und nach durchsetzten. Das war es auch schon. Den Erzählungen nach soll allerdings die ein oder andere Ehe und auch Eheähnliche Beziehung die insgesamt 64 Schleusen nicht schadlos überstehen, drum spricht der Volksmund auch vom „Scheidungskanal“. Wie auch immer, unsere Reise wird in den nächsten zwei bis drei Wochen eine komplett andere Dimension erreichen, die täglichen Strecken werden kürzer, beschaulicher und vom Rhythmus der Schleusungen geprägt sein. Das Landschaftsbild ändert sich hinter jeder Biegung und man tuckert durch Wiesen und Wälder.
Schon zeitig haben wir Oxelösund verlassen und uns auf den Weg nach Stegeborg gemacht. Die ersten Seemeilen konnten wir noch unter Segel bestreiten. Ab der Mittagszeit schlief der Wind dann mehr und mehr ein, so dass wir die letzte Stunde unter Maschine zurücklegen mussten. Stegeborg gilt als einer der Anlaufstellen für alle Ost-West Kanalfahrer. Dementsprechend schwer wird es vor allem in der Hauptsaison Juli-August hier noch einen freien Liegeplatz zu ergattern. Wir hatten Glück und einen der letzten freien Plätze ausgemacht und ratzfatz lag die Ratzfatz fest vertäut am Steg. Nachdem das geschafft war, galt es die nähere Umgebung und insbesondere die geschichtlich bereits im Jahr 1310 erwähnte Burganlage zu erkunden. Neben der Burg gab es bis auf ein Restaurant, einen Minishop, einem Campingplatz, und der Seilfähre nicht viel zu entdecken. Morgen geht es dann nach Mem, ab hier beginnt unser Abenteuer „Göta-Kanal“.
Was für eine Nacht, in der Ankerbucht zwischen den Inseln Aspö und Aspskär herschte die totale Ruhe. Ich denke es war einer der ruhigsten, lauschigsten und heimeligsten Plätze unserer bisherigen Reise. Von der Sonne wach geküsst und nach einem ausgiebigen Frühstück haben wir uns auf den Weg nach Oxelösund gemacht. Hier wollten wir noch einmal unserer Vorräte auffüllen und Diesel bunkern, bevor es weiter in Richtung Mem dem Eingang zum Göta-Kanal geht. Oxelösund fällt schon von weitem durch seine Industrieansiedlung und insbesondere dem Stahlwerk von SSAB auf. Der Anblick von See wie auch der spätere Gang durch die Stadt erinnerte mich unweigerlich an meine 380 km vom Wohnort entfernt berufliche Wirkstätte. Also galt es, schnell wieder weg hier!
Endlich mal wieder etwas wärmer. Die fast 20°C und Sonnenschein lassen sommerliche Gefühle aufkommen und mutig wie wir sind, bleiben lange Hose und Pullover im Schrank. Für heute haben wir uns eine Ankerbucht zwischen der Insel Aspö und Aspkär ausgesucht. Die Fahrt dorthin verläuft relativ unspektakulär durch den äußeren Schärengürtel. Am Ziel angekommen müssen wir erfreulicherweise feststellen, dass die schwedische Seglervereinigung in der Bucht zwei Bojenplätze eingerichtet hat. Somit wird uns das Ankergehen erspart und wir können sicher an der Boje festmachen. Der Törnführer „Schweden Süd /Ostküste“ hat in seiner Beschreibung „Traumhafte Ankerbucht zwischen den Inseln Aspskär und Aspö“ wahrlich nicht übertrieben.