Hui, das war mal wieder ein Tag! Angefangen hat es mit einem verkorksten Ablegemanöver. Was war passiert: wir waren bereits 3 Meter aus der Box, alle vier Festmacher bis auf „FÜNF“ (Landstromkabel) eingeholt, Ulli stand noch auf dem Vorschiff und gab plötzlich lauthals Alarm, “ STOOOOP ZURÜCK der Landstromanschluss steckt noch im Stromkasten auf dem Steg!!!“ So ein Mist ist uns noch nie passiert, muss wohl daran liegen, dass Routine einen nachlässig werden lässt. Außer einem versauten Ableger ist es jedoch zu keinen Schaden gekommen, Landstromverteiler auf dem Steg wie auch Kabel und Stecker leben noch. Ca. 8 Seemeilen vor Hals sind wir dann noch in ein Gewitter gekommen. Das komplette Wetter-Portfolio (bis auf Schnee) prasselte auf uns ein. Im Hafen angekommen, gingen die Wetterkapriolen weiter. Gewitter, blauer Himmel, Sonnenschein, Gewitter , blauer Himmel und Sonnenschein wechselten im Stundentakt.
Wie angekündigt, lädt das Wetter aktuell nicht so richtig zum weiter Reisen ein. Wir nutzen die Zeit zum lesen, Musik hören, für lange Spaziergänge am Strand und zum Haare schneiden. Mein Haupt- und Gesichtshaar hatte sich derart ausgebreitet, dass hier radikal mit der Maschine auf Stufe Null zurück geschnitten werden musste. Gestern Abend bin ich dazu noch unnötiger Weise blöde gestürzt. Beim Klettern über die Steinbuhnen hat sich mein rechter Fuß zwischen den Buhnensteinen verklemmt während ich mit dem anderen abgerutscht und keinen Halt mehr gefunden habe. Die Landung war alles andere als sanft und dementsprechend schmerzhaft. Knie und Hüfte verdreht, ein paar blaue Flecken und ein gebrochenes Handy-Display waren die Folgen meiner Turneinlage. Hätte schlimmer kommen können, das Handy funktioniert noch, von daher Glück im Unglück gehabt.
…mit Sonnenuntergang fordert der Trompetenspieler das Einholen der National- und Gastlandflaggen. Ein schöner Brauch!
Heute früh um 08:00 haben wir Schweden adieu gesagt. Von der ursprünglichen Planung einen Abstecher ins Oslo Fjord nach Norwegen zu unternehmen, haben wir uns verabschiedet und stattdessen das Kattegat gequert und Saeby in Norddänemark angesteuert. Von hier aus wollen wir uns langsam an der Ostküste runterhangeln und unseren alten Heimathaften Minde wie auch Flensburg einen Besuch abstatten. Die Fahrt von Langedrag hierher war mal wieder richtiges Segeln und bei 4 – 5 Bft waren wir fix unterwegs. Allerdings erwischte uns ca. 10 Seemeilen vor dem Ziel eine Schlechtwetterfront mit Starkregen, wenig Sicht und Böen bis 7 Bft. Kaum waren wir im Vorhafenbecken eingelaufen, war der Spuk aber auch schon wieder vorbei und die Sonne schien als wäre nichts gewesen. Laut Wetterprognose werden wir uns wohl für die nächsten Tage grundsätzlich auf schlechteres Wetter mit durchziehenden Regenfronten einstellen müssen. Bei den wenigen Regentagen, welche wir seit unserer Abreise vor genau 3 Monaten hatten, ist das aber verzeihbar!
Wir liegen im Hafen des Königlichen Segelverein von Göteborg. Jetzt könnte man ja denken, na das muss ja was ganz tolles sein! Nö…ist es nicht, der Hafen ist zwar groß aber von der Ausstattung im Vergleich zu sehr, sehr viel kleineren Anlagen z.B. in Estland eher mangelhaft. Im großen Hafenteil mit vielleicht 600 Liegeplätzen gibt es lediglich zwei königliche Damen und Herren Toiletten. Das ist nicht wirklich viel und entsprechend groß ist der Andrang, wenn die Massen zur morgendlichen Entleerung strömen. Wer regelmäßig seine Schließmuskulatur trainiert hat, ist hier klar im Vorteil. Zur Entschädigung für die missmutigen Scheißer, gab es einen Tag lang schummriges Kerzenschlicht auf dem Klo. Das Ambiente war nicht schlecht, dumm nur für diejenigen deren Tast- und Geruchssinn nicht einwandfrei funktionierte. Gestern haben wir einen neuen Nachbarlieger mit einer 1600 PS starken Alu-Rennsemmel bekommen und uns Ulli hat beim Einparken geholfen und die Leinen angenommen. Auch wenn ich nicht unbedingt Motorbootfan bin, hat mich das sportive und böse ausschauende Gerät von dem Kollegen doch so sehr beeindruckt, dass ich unverzüglich Google um Info angezapft habe. Die Kiste (Anytec 1221 SPD) kostet in der Ausführung ne Milionen Euro, macht 70 Knoten in der Spitze und unser neuer Nachbar ist die schwedische Eishockeylegende Peter Forsberg. https://www.youtube.com/watch?v=DJypHPf08Zk Heute haben wir uns zwei Tagestickets (zu je 9€) für sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel zugelegt und Göteborg unsicher gemacht. Fazit: Göteborg ist schön, kommt aber nicht so ganz an Stockholm oder Tallinn ran.
Vänersborg – Göteborg (Langedrag) ca. 52 Seemeilen
Wir wollen weiter, unser eigentliches Tagesziel ist „Lilla Edet“, doch zuvor müssen wir die Brückenöffnung der „Gropbron“ abwarten. Um 09:00 ist es dann soweit, die Brücke öffnet sich und wir fahren unserer ersten Schleuse im Trollhätte-Kanal entgegen. Dann geht es Schlag auf Schlag. Ohne große Wartezeit fahren wir in die Schleuse „Brinkebergskulle“ und 15 Min. später sind die ersten 5 Meter überwunden. Die Kammern sind kein Vergleich zum Göta-Kanal. Die Schleusen sind für die Berufsschifffahrt ausgelegt und lassen Schiffsgrößen von 88m X 12.8 Meter zu. Der Schleusenvorgang selbst ist vollkommen unspektakulär. Kurz nach der Schleuse geht der eigentliche Kanalabschnitt in den Göta älv (Fluß zwischen Vänern und der Ostsee) über. Ab jetzt schiebt uns der Strom mit zusätzlichen 2,5 Knoten talwärts so dass im Plotterdisplay mehrmals ein SOG (Speed über Grund) von 8.5 Knoten angezeigt wird. Wie betäubt vom Rausch der Geschwindigkeit brausen wir Schleuse für Schleuse und Brücke für Brücke talwärts. Schnell ist „Lilla Edet“ erreicht und wir entscheiden kurzerhand die flotte Fahrt auf dem Göta älv ohne Zwischenstopp bis Göteborg fortzusetzen. Kurz vor Göteborg mussten wir dann aber doch noch eine 1.5 stündige Wartezeit vor der Brücke „Jordfallsbron“ einlegen. Nächste Brückenöffnung ist um 18:00, so die ernüchternde Antwort auf unserer Frage , wann wir passieren können. Von da an lief aber alles wieder wie geschmiert. Die doppelte Schwenkbrücke „Marieholmsbron“ öffnete ohne Verzug auf unsere Anfrage und zwei gewaltige Eisenbahnbrückenteile drehten sich wie von Geisterhand um 90 Grad und gaben die Durchfahrt frei. Um 20:00 bogen wir vor der Viermastbark „Viking“ in den kleinen Stadthafen von Göteborg ein. Hier war es voll und laut, also beschlossen wir nicht anzulegen, sondern den etwa 4 Seemeilen außerhalb liegenden Hafen „Langedrag“ anzusteuern, um hier gegen 21:00 und nach 52 Seemeilen fest zu machen.
Der frühe Vogel fängt den Wurm, also heißt es schon früh am Morgen „raus aus den Federn“, Punkt sieben verlassen wir den kleinen Hafen Spiken um unsere letzte Etappe auf den Vänern zu bestreiten. Die ersten 5 Meilen führen uns durch ein enges,verwinkeltes Fahrwasser einer urwüchsigen Schärenlandschaft. Dann aber können wir den direkten Kurs anlegen, Segel setzen und den Autopiloten das Ruder für die nächsten 25 Seemeilen übergeben. Kurz vor der Brücke in Vänersborg und der Einfahrt in den Trollhätte – Kanal melden wir uns über Funk bei der Brücke“Dalbobron“ an und erbitten die Brückenöffnung. Fünf Minuten später öffnet sich die gewaltige Klappbrücke und wir können passieren. Allerdings müssen wir an der darauf folgenden Eisenbahnbrücke 30 Min. warten bis die Züge durch sind, bevor auch diese Brücke uns den Weg in den Gasthafen von Vänersborg frei gibt. Der Hafen ist ein reiner Transithafen für Kanalreisende Bootsfahrer inmitten eines modernen Wohnkomplexes und strahlt entsprechend wenig Charme aus.
Kein Lüftchen regt sich als wir Mariestad um o9:oo verlassen. Es soll nach Spiken, einem kleinen 100 Seelen großen Fischerdorf auf einer der ca. 22.000 Inseln (Kallandsö) im Vänern gehen. Dabei gleicht der drittgrößte See Europas zwischendurch eher einem Meer, bei dem Horizont und Wasser ineinander verschmelzen. Mit uns hatten anscheinend einige Hundert andere Touri’s Spiken als ihr heutiges Reiseziel auserkoren. Jedenfalls war es voll, um nicht zu sagen rappelvoll! Wohnmobile, Wohnwagen, Autos, Motorräder, und jede Menge Wasserfahrzeuge belagerten den kleinen Ort bzw. Hafen.
Mariestad fällt schon von weitem durch seinen alles überragenden Domturm auf. Mit einer der letzten gotischen Kirchen Schwedens wurde bereits 10 Jahre nach der Stadtgründung im Jahr 1593 begonnen. Weitere Sehenswürdigkeit ist die Gamla Stan (Altstadt), welche zu den best bewahrtesten Stadtkernen des Landes gehört. Deren älteste Gebäude stammen noch aus dem 16th Jahrhundert. Neben Sightseeing haben wir den Tag genutzt, um mal wieder klar Schiff und nötige Besorgungen zu machen. Außerdem musste an der Ratzfatz das ein oder andere ausgetauscht bzw. repariert werden. Die Beanspruchung vom Material ist auf einer längeren Reise doch deutlich größer als in vier Wochen Sommerurlaub. Mal war es die Wasserpumpe, dann ein Vakuumventil, ein Beschlag oder ein Fall, welches ausgetauscht werden musste. So gibt es halt immer etwas zu tun, bisher waren es aber überwiegend kleinere Dinge, welche sich ohne weiteres und großen Kostenaufwand reparieren ließen. Deutlich schlechter hat es da unser Nachbarlieger, welcher gestern mit Motorschaden in den Hafen geschleppt wurde.
Motala – Tatorp – Lyrestad – Sjötorp – Mariestad ca. 99 Kanalkilometer und 10 Seemeilen auf dem Vänern
Dienstag der 18.07 war mal ein richtig guter Tag! Wir haben den Vättern, den Viken und die letzte Schleuse Bergauf hinter uns gelassen! Unser BERGFEST feierten wir nach 10 Stunden Fahrt in Tatorp direkt vor der ersten Talschleuse auf 91,8 Höhenmeter. Am anderen Morgen ging es zügig weiter und wir ließen die ersten 10 Kanalkilometer flott hinter uns. Unser guter Lauf wurde aber gegen Mittag durch eine Wartezeit von 4 Stunden vor der oberen Schleuse von Hajstorp jäh unterbrochen. Eine weitere Stunde Wartezeit hatten wir dann noch vor einer Eisenbahnbrücke. Somit landeten wir nach 9 Stunden und ernüchternden 25 Kanalkilometern gegen 18:00 in Lyrestad. Die elendig langen Wartezeiten sind einfach nur anstrengend und nerven früher oder später! Egal, heute haben wir dann die letzten 10 Schleusen geschafft und sind ohne Halt in Sjötorp einzulegen, gleich raus auf den großen Vänern. Als erstes wurde der Jockel (Diesel) gestoppt und Segel gesetzt. Das war echter Balsam für Mensch und Maschine. 2 Stunden später waren wir fest in Mariestad.
Wir sind gestern in Motala angekommen. Bis hierher war es ein ganz schöner Krampf. Tagesetappen von 1o maximal 15 Kilometer war alles, was der Kanal zuließ. Die letzten Tage waren geprägt von sehr vielen Wartezeiten. Mal war es eine Brücke, dann eine Schleuse, ein Ausflugsdampfer, oder der Wasserstand in einem Kanalabschnitt, was eine Weiterfahrt verhinderte. Dazu kommen die vielen unverbesserlichen Möchtegernskipper, welche in den Schleusen aufgrund von falschem Leinenhandling und Rumgeschrei für unnötige Aufregung sorgen. Wir fragen uns immer wieder, wie die eine oder andere Crew (Gurkentruppe durfte ich nicht schreiben) es überhaupt mit Ihren +40 Fuss Yachten bis hierher geschafft haben. Weiterhin lässt sich feststellen, je mehr Leute an Bord, umso größer die Schwierigkeiten und desto bescheidener die Manöver. Viele Köche verderben halt den Brei! Nun genug gemeckert und gelästert. Meine Chefin hatte ja zwischenzeitlich Geburtstag und wir haben den Tag für einen Ausflug und Stadtbummel nach Linköping genutzt. Zum Mittagessen ging es dann ins „Överste Mörner“ ein Pup & Grill, in dem bereits Rockgrößen wie Sting, Joe Cocker, Madonna, Mick Jagger, Prince, Elton John, und viele andere beköstigt wurden. Anschließend galt es noch ein passendes Geburtstagsgeschenk für Ulli zu finden. Was lag da näher, als einen Bootsshop aufzusuchen und sie mit einem wunderbaren Fenderstep ( Fender + Aufstiegshilfe für kurze Beine) zu beschenken. Ihre Freude hierüber war groß und ist nicht mit Worten zu beschreiben 🙁 … Wir werden noch ein zwei Tage in Motala verbringen, dann geht es weiter über den Vättern nach Karlsborg. Anschließend kommt noch eine Schleuse und wir feiern auf 91,5 Höhenmeter und nach 37 Schleusen unser Göta-Bergfest, bevor es Talwärts weiter in Richtung Göteborg geht. Unsere Zwischenbilianz nach 7 Tagen Göta-Kanal fällt, selbst auf die Gefahr hin harsche Kritik von Kanalfans zu ernten, eher ein wenig nüchtern aus. Wahrscheinlich liegt es aber an uns und wir eignen uns nicht für die Binnenskipperei und zum Bootfahren auf einem Kanal! Landschaftlich ist das alles sehr schön und eindrucksvoll. Auch das Schleusen ist eine Erfahrung, welche wir nicht missen möchten! Uns fehlt es jedoch an Raum und Weite. Nach den ersten 25 Kanalkilometern und 20 Schleusen möchte man ausbrechen, Segel setzten und selbstbestimmend Meilen machen.